Interview mit Christian Streib M.Ed. zum Mathematikstudium

10. Februar 2022

Absolventenpreisträger für herausragenden M.Ed. Abschluss am Fachbereich Mathematik
Porträts am Fachbereich Mathematik der Universität Stuttgart

Warum hast du Mathematik studiert...?

Ich bin tatsächlich über Umwege zum Fach Mathematik gekommen. Drei Jahre vor meinem Abitur habe ich begonnen, mir die Frage zu stellen, ob ich ins Lehramt gehen möchte, oder eine Naturwissenschaft für sich studieren möchte. Ich habe die Entscheidung diesbezüglich maximal hinausgezögert und zunächst mit dem Bachelor in Physik begonnen. Nach und nach habe ich durch den ausgiebigen Kontakt mit der Mathematik im Rahmen des Physikstudiums festgestellt, dass mich die Mathematik jedoch mindestens genauso sehr interessiert wie die Physik selbst. Im Master dann auf das kombinierte Lehramt von Mathematik und Physik zu wechseln war für mich dann die perfekte Lösung, um mich noch mehr mit Mathematik zu beschäftigen und gleichzeitig die Physik nicht komplett aus den Augen zu verlieren. Natürlich war auch die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein entscheidender Punkt bei dieser Entscheidung.

...und warum hast du Lehramt studiert?

Mir bereitet es große Freude, mit jungen Menschen zu arbeiten. Mittlerweile ist mein Abschluss auch schon über ein Jahr her und ich stecke gerade mitten in den Prüfungen meines Referendariats. Jugendliche haben ihre ganz eigene Art und Unbekümmertheit. Auch wenn es im Schulbetrieb immer wieder undankbare Situationen gibt (Kinder vergessen oft sehr schnell, wenn man etwas Gutes für sie tut), überwiegt für mich ganz klar die positive Seite (Kinder verzeihen ebenso schnell). Es freut mich generell sehr zu sehen, wie sich Jugendliche gerade auch persönlich im Rahmen eines Schuljahrs weiter entwickeln. Zu guter letzt war natürlich auch die Beschäftigung mit teils sehr interessanten fachlichen Inhalten ein wichtiger Punkt für meine Entscheidung für das Lehramt.

Was macht das Mathematikstudium aus?

Mathematik ist eine sehr grundlegende Wissenschaft. Wir Mathematiker machen nicht aus zehn Büchern ein elftes, und wir spekulieren auch nicht mehr oder weniger wild über Zusammenhänge der Natur. Wir machen uns zunächst einfach unsere Welt, wie sie uns gefällt, und dann schauen wir uns diese Welt einfach mal näher an und schauen, was sich dabei so ergibt ;) Dabei hat mich die Exaktheit dieser Wissenschaft besonders fasziniert. Die universitäre Mathematik beruht eben darauf, aus einer meist einigermaßen übersichtlichen Anzahl an Definitionen und Axiomen heraus nur durch logisches Schlussfolgern eine komplexe Theorie zu entwickeln. Besonders spannend fand ich dabei die oft sehr abstrakten Themen aus den Grundlagen der Algebra und der Analysis.

Worüber hast Du Deine Masterarbeit geschrieben?

Ich habe mich im Rahmen meiner Masterarbeit mit einem Thema befasst, das am ehesten in den Bereich der Zahlentheorie einzuordnen ist, aber auch mit Algebra verknüpft ist. Dabei stand im Zentrum meiner Arbeit der Begriff „Quiddity Cycles“. Hierbei handelt es sich im Grunde genommen um Tupel von Zahlen verschiedener Länge, aus denen man nach einem bestimmten Schema Matrizen konstruiert. Untersucht man dann das Produkt dieser Matrizen, so ergeben sich einige erstaunliche Zusammenhänge. Besonders interessant ist dabei die Frage, unter welchen Bedingungen dieses Produkt wieder Eins (oder -1) ergibt. Im wichtigsten und interessantesten Teil meiner Arbeit ging es dann konkret darum, wie sich eine Verallgemeinerung der Ausgangsbedingungen zu einer von französischen Forschern untersuchten Problemstellung auf die Struktur der Lösungen des Problems auswirkt. Das Thema hängt auch eng mit Kettenbrüchen und bestimmten Triangulationen (also Aufteilungen eines Vielecks in Dreiecke) zusammen. Die sich hier ergebenden Gemeinsamkeiten zwischen Dingen, die auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun haben, habe ich als sehr faszinierend  empfunden. Mir hat es daher großen Spaß bereitet, dieses Thema weiter zu erforschen, auch wenn der praktische Nutzen meiner Ergebnisse ehrlich gesagt sehr überschaubar ist.

Was hat Dir im Studium besonders gefallen?

Ich bin generell ein Freund von unserem Uni-System hier in Deutschland. Mir gefällt es sehr, viele Möglichkeiten zu haben, seine Studieninhalte individuell zusammenzustellen. Mir war dabei konkret wichtig, auch beim Lehramtsstudium eine möglichst große fachliche Tiefe zu erarbeiten. Ich habe daher auch viele Veranstaltungen gemeinsam mit B.Sc. bzw. M.Sc.-Studenten besucht, womit ich auch schon beim nächsten Punkt wäre: Die konstruktive Zusammenarbeit in der Lerngruppe war für mich immer wichtig. Alleine ist man gerade in den ersten Semestern in der Analysis oder in der theoretischen Physik selbst als mathematisch begabter Student oft nahezu aufgeschmissen. Nur durch Kooperation und gemeinsames Arbeiten ist es möglich, die Übungsaufgaben in vertretbarer Zeit zu lösen und gut vorbereitet in die Prüfungen zu gehen. Gleichzeitig trifft man dabei auf viele Menschen mit ähnlichen Interessen, sodass man auch zahlreiche Freunde finden kann. Das wahrscheinlich schönste an meinem Studium waren jedoch meine beiden Auslandssemester in Linköping in Schweden und in Grenoble in Frankreich. Da ich einen Großteil der Veranstaltungen, die ich dort besucht habe, ohnehin nicht für mein Studium in Deutschland anrechnen lassen konnte, war ich hier sehr frei in der Auswahl. Außerdem ermöglichte mir dies auch, in diesen beiden Semestern mit deutlich weniger Druck zu studieren, auch wenn die Prüfungen am Ende nicht weniger erfolgreich waren.

Du hast jetzt sehr viel über die Inhalte des Studiums erzählt. Was hat Dich denn sonst am Unileben fasziniert, vielleicht gerade auch im Rahmen deiner Auslandsaufenthalte?

Ich habe es sehr geschätzt, andere Kulturen näher kennenzulernen. In Frankreich war ich noch während meines Bachelorstudiums. Dort gab es daher kaum englische Vorlesungen, sodass ich bis auf eine Veranstaltung ausschließlich auf Französisch studiert habe. Das war für mich eine sehr bereichernde Erfahrung. Ich war dort auch relativ gut integriert, einerseits an der Uni und andererseits habe ich dort auch zweimal wöchentlich im Leichtathletikverein trainiert und an Wettkämpfen teilgenommen. Das war nochmal ein ganz anderes Gefühl als an der Uni, da ich dort wirklich nur unter Franzosen war. In Schweden war dies anders. Ich habe mir zwar auch einiges an Schwedisch angeeignet. Dennoch habe ich die Schweden insgesamt als eher zurückhaltende Menschen erlebt, mit denen man nicht so leicht in Kontakt kommt. Auch ist gefühlt jeder zweite Masterstudent in Linköping ein Austauschstudent. Dennoch war auch mein Aufenthalt dort sehr interessant, gerade weil ich dort eben sehr viele andere Studenten aus allen Ländern und Kontinenten der Welt getroffen habe. Außerdem war es natürlich sehr schön, im jeweiligen Land und im Falle Schwedens auch in den Nachbarländern im Rahmen meiner Auslandssemester bzw. im Anschluss daran ausgiebig zu reisen. Da in fast allen Ländern die Semestertermine deutlich früher sind, als in Deutschland, hatte ich am
Ende der beiden Semester nämlich jeweils sehr lange Ferien, die ich dann ausgiebig zum Kennenlernen der Regionen genutzt habe. Insbesondere in Frankreich kam dabei noch das Skifahren dazu, was auch eine große Leidenschaft von mir ist.

Wie bist du zu diesen beiden Auslandssemestern gekommen?

Meine Entscheidung, ein Auslandssemester zu machen, fiel an meinem allerersten Tag an der Uni. Bei der allgemeinen Einführungsveranstaltung wurde durch das internationale Zentrum die Möglichkeiten für Auslandssemestern kurz vorgestellt und in diesem Moment habe ich die Entscheidung gefällt.  Danach habe ich über die Austauschprogramme der Universität recherchiert und einen Beratungstermin im internationalen Zentrum gehabt. Insbesondere das Konzept des Erasmus- Programms hat mir sehr gut gefallen, sodass ich mich dann für zwei Aufenthalte im europäischen Ausland entschieden habe. Mein Vorlesungsprogramm habe ich dann selbstständig ausgesucht und mit den jeweils zuständigen Fachkoordinatoren besprochen. Auch die Formalitäten sind beim Erasmus-Programm wirklich sehr überschaubar. Lediglich die Bürokratie des französischen Staats ist manchmal etwas anstrengend; wenn man die kennen gelernt hat, erscheint die deutsche plötzlich deutlich harmloser.

Sonst noch etwas, worauf du fast 26 Jahre gewartet hast, um es loszuwerden? ;)

Puh, mal überlegen... Vielleicht nochmal zusammenfassend zum Studium und der Uni: Mir hat das Studium an der Universität Stuttgart auf jeden Fall sehr gut gefallen. Der Campus in Vaihingen und die Stadt sind zwar nicht so spektakulär, wie manche andere Studentenstädte, aber die Fakultät und der Studienbetrieb sind meinem Empfinden nach sehr gut organisiert. Es gibt viele Möglichkeiten, sich mit Kommilitonen zu vernetzen und neue Freunde zu finden. Die ersten Semester an der Uni waren zwar hart, aber insgesamt war meine Zeit in Stuttgart-Vaihingen  eine sehr schöne Zeit.

Christian Streib M.Ed.
Preisträger für herausragenden M.Ed. Abschluss am Fachbereich Mathematik
 

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