Da sich mein Masterstudium dem Ende neigte, wollte ich die letzte Gelegenheit nutzen nochmal ein ERASMUS-Semester einzulegen. Nachdem ich während meines Bachelorstudiums bereits in Irland war, zog es mich im Wintersemester 2019/20 an die Univerzita Karlova nach Prag. Die Planung war bis auf das Learning Agreement dank ERASMUS denkbar unkompliziert. Ein großes Plus war dabei auch, dass man mit der Bewerbung an der Universität Anspruch auf einen Platz im Studentenwohnheim hat. Ich war wie die meisten anderen Mathematik- und Computer Science-Studenten im Kolej 17.Listopadu, dem mit 150€ pro Monat „teuersten“ Wohnheim, untergebracht. Wichtig zu erwähnen ist, dass man sich hier wie in allen anderen Wohnheimen auch, sein Zimmer mit einer anderen Person teilt. Meine anfänglichen Sorgen darüber stellten sich als unbegründet heraus und meine zum Glück nicht-schnarchende Mitbewohnerin und ich wurden enge Freunde. Neben der wie erwartet eher zweckmäßig-spartanischen Ausstattung, empfand ich die lange Fahrtdauer von 30 bis 40 Minuten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln in die Stadtmitte sowie zu den Mathematik- und Computer Science-Gebäuden als größtes Manko. Im Zentrum angekommen wurde man jedoch sofort für die Fahrt entschädigt: Prag ist geprägt von wunderschönen Altbauten, Aussichtsplätzen, historischen Gebäuden und der Moldau, die sich durch die Stadt schlängelt. Mit doppelt so vielen Einwohnern wie Stuttgart hat Tschechiens Hauptstadt unzählige Restaurants, Bars, Cafés und Clubs zu bieten, die man dank niedriger Bierpreise (1,20€ für ein großes Bier) auch mit einem Studentenbudget auskosten kann. In Prag kann quasi keine Langeweile aufkommen, da viele verschiedene Aktivitäten angeboten werden, wodurch ein Kennenlernen mit anderen ERASMUS-Studenten leichtfällt. Die Universitätsgebäude sind quer durch die Stadt verteilt und teils nur wenige Gehminuten von den touristischen Highlights wie der Karlsbrücke oder der Prager Burg entfernt, dass ich auch im Alltag immer ein wenig Sightseeing und das Gefühl von Urlaub genießen durfte. Die Vorlesungen selbst fand ich sowohl vom Niveau als auch vom Arbeitsumfang mit den Vorlesungen in Stuttgart vergleichbar. Theoretisch gibt es in Prag auch eine große Auswahl an englischsprachigen Mathematikveranstaltungen, was für mich einer der Hauptgründe für die Ortswahl war. Praktisch gestaltete sich das leider komplizierter als gedacht, da die Univerzita Karlova mehrfach von mir gewählte Kurse auf dem Learning Agreement nicht akzeptierte. Deshalb belegte ich im Endeffekt größtenteils Bachelor Computer Science-Veranstaltungen. Weil ich mir in Stuttgart ohnehin nichts anrechnen lassen wollte und die Veranstaltungen interessant und lehrreich waren, war das in meinem Fall glücklicherweise nicht so dramatisch, sollte aber bei der Universitätswahl berücksichtigt werden.
Insgesamt würde ich Leuten, die sich von Touristengruppen und der laut meines Prager Kommilitonen „harten Schale“ der Tschechen abschrecken lassen, ein anderes Ziel für ein Auslandssemester raten. Ich muss jedoch sagen, dass ich Prag lieben gelernt habe und es im Vergleich mit meinem ersten Auslandssemester in Limerick aufgrund der anspruchsvolleren Lehrveranstaltungen, der Vielzahl an Freizeitaktivitäten und des optischen Erscheinungsbilds besser abschneidet. Wer ein Auslandssemester in einer wunderschönen Stadt an der ältesten Universität Mitteleuropas zu Preisen, die das Schwabenherz höherschlagen lassen, verbringen möchte, dem kann ich die Univerzita Karlova nur wärmstens empfehlen.
Mehr Informationen und Erfahrungsberichte zum Erasmus-Programm