Mathematik, Physik und Chemie waren schon immer meine Lieblingsfächer in der Schule. Ein größeres Interesse an Mathematik wurde jedoch erst in mir geweckt, nachdem wir in der 8. Klasse einen programmierbaren Taschenrechner erhalten haben. Ich habe mich damals gefragt, ob man denn die algebraischen Termumformungen aus dem Matheunterricht automatisieren könnte: Schließlich war der Taschenrechner erst mal nur zu numerischen Berechnungen fähig und so habe ich für mich das Gebiet der Computeralgebra und dann auch der Algebra entdeckt.
In den nächsten Schuljahren verbrachte ich dann viel Zeit mit dem Implementieren diverser symbolischer Algorithmen und schlussendlich war es ziemlich offensichtlich, dass ich mehr Wissen aus der Algebra brauchte, um die Implementierung mancher dieser Algorithmen zu vollenden. Da man Algebra nur im Mathematikstudium findet, war eine Entscheidung gefallen, die später vom Schülerzirkel und Schülerstudium bekräftigt wurde.
Was begeistert Sie an der Mathematik? Mit was beschäftigen Sie sich am liebsten?
Das was die Mathematik für mich interessant macht, ist die Möglichkeit präzise, eindeutig interpretierbare Aussagen und Behauptungen aufzustellen und zu beweisen. Das ist ein Luxus, den andere (vor allem humanitäre) Wissenschaften so nicht haben. Weiterhin sind die Beziehungen und Relationen zwischen den verschiedenen Teilgebieten der Mathematik sehr faszinierend: Manchmal kann man in einem Gebiet Sätze und Konzepte aus einem anderen, erst mal fremden Gebiet verwenden um weiterzukommen. Als einfaches Beispiel kann man hier den topologischen Beweis des Satzes von Cayley-Hamilton über dem Körper der komplexen Zahlen nennen.
Zum Schluss haben auch die Anwendungen der Mathematik etwas Anziehendes für mich: Zu sehen, wie etwas, das durch theoretische Überlegungen auf dem Papier in der realen (physischen) Welt zum Einsatz kommt und auch noch funktioniert, ist unglaublich motivierend, vor allem wenn die Lösung im vornherein nicht leicht zu ersehen ist.
Derzeit sind meine Lieblingsgebiete die Operatortheorie und die Kontrolltheorie.
Die Operatortheorie kann man als eine Verallgemeinerung der linearen Algebra sehen, sie beschäftigt sich mit linearen Abbildungen (Operatoren) zwischen unendlichdimensionalen Räumen. Viele Aussagen über Matrizen aus der linearen Algebra haben ein Analogon in der Operatortheorie, viele aber auch nicht. Interessant ist hier zudem die enge Verbindung mit der komplexen Analysis.
In der Kontrolltheorie hingegen untersucht man Systeme, die man meist stabilisieren oder in irgendeiner Form kontrollieren möchte. Ein System kann dabei unter anderem als eine Abbildung von Signalen (Funktionen von der Zeit) auf andere Signale betrachtet werden. Zum Beispiel kann die (Ausgangs-)Funktion „Höhe“ eines fliegenden Flugzeuges als Resultat der (Eingangs-)Funktion „ Anstellwinkel“ der Tragfläche angesehen werden. Will man das Flugzeug auf einer gewissen Höhe halten, so baut man sich einen Regler, der als Eingang die (gemessene) Höhe hat und als Ausgang den (Soll-)Anstellwinkel der Tragflächen angibt, sodass bei einer Abweichung von der Soll-Höhe der Fehler durch Rückkopplung korrigiert wird.
Das ist viel Reglungstechnik, aber es gibt auch sehr viel interessante Mathematik hinter der Konstruktion von solchen Reglern. Die Operatortheorie hat hier auch Anwendungen, denn ein lineares System ist ja nichts anderes als eine Abbildung zwischen Funktionenräumen.
Was können Sie Schülern, die überlegen Mathematik zu studieren, empfehlen?
Wenn man überlegt Mathematik zu studieren, so rate ich am Schülerzirkel und/oder Schülerstudium der Universität Stuttgart teilzunehmen. Wie viele hier bereits angemerkt haben, gibt es einen großen Unterschied zwischen Schulmathematik und der Mathematik, dessen Überbrückung nicht jedem leichtfällt.
Im Schülerstudium bearbeitet man den Stoff der ersten zwei Semester, aber ca. 4mal langsamer. Auch wenn man sich danach entscheidet nicht Mathematik zu studieren, so kann man sich die bestandenen Module oft auch in anderen MINT-Fächern anrechnen lassen, sodass die Zeit auf keinen Fall „verschwendet“ war. Das Schülerstudium hat auch den Vorteil, dass man ein Jahr im Studium gewinnt und somit andere interessante Module besuchen kann.
Des Weiteren empfehle ich während des Studiums einen Auslandsaufenthalt zu machen: Neben anderen Modulen, die es in Stuttgart nicht gibt, lernt man auch einfach andere Menschen und Kulturen kennen, was ich nur als positiv werten kann. Schlussendlich würde ich den am Mathestudium interessierten Schülern und den Erstis empfehlen, Anwendungsmodule und Vorlesungen außerhalb der Pflichtvorlesungen zu besuchen. Auch wenn man nur an der reinen Mathematik interessiert ist, so ist es doch sinnvoll z.B. Programmieren zu lernen.
Andrey Kharitenko B.Sc.
Absolventenpreisträger für herausragenden B.Sc. Abschluss am Fachbereich Mathematik