Ich denke, bei mir liegt das daran, dass ich Dinge genau verstehen möchte. In der Mathematik baut alles auf einfachen Axiomen auf. Mit den Gesetzen der Logik entstehen daraus neue und unvorhergesehene Aussagen, welche in Theoremen niedergeschrieben werden. Im Beweis wird das Theorem in verständliche und überprüfbare Argumentationsschritte unterteilt, sodass selbst Kompliziertes begreifbar wird.
Der zweite Grund ist mein Interesse an der Physik. Alle physikalischen Theorien sind in der Sprache der Mathematik verfasst. Darüber sollten wir uns glücklich schätzen, denn unsere heutigen Theorien (Relativitätstheorie, Quantenphysik) weichen stark von unserem intuitiven Verständnis ab. Nur mit Hilfe der mathematischen Formalismen ist es uns überhaupt möglich die Natur zu verstehen.
Warum sollte man Mathematik an der Universität Stuttgart studieren?
Die Uni Stuttgart hat engagierte und kompetente Dozentinnen und Dozenten, welche ein breites Spektrum an Vorlesungen anbieten. Bereits früh im Studium besteht die Möglichkeit, Wahlmodule zu belegen und sich entsprechend der eigenen Interessen weiterzuentwickeln. Darüber hinaus bietet die Universität die Flexibilität, Vorlesungen aus anderen Fachbereichen zu besuchen. Auf diese Weise konnte ich beispielsweise an verschiedenen Vorlesungen zur theoretischen Physik teilnehmen.
Woran forschen Sie als Doktorand in der Mathematik?
Ich arbeite gemeinsam mit meinem Betreuer in der Theorie der Quantenelektrodynamik, welche die Wechselwirkung zwischen Strahlung und Materie beschreibt. Als Mathematiker nehmen wir uns die aus der Physik etablierten Gleichungen und versuchen, aus diesen physikalisch relevante Eigenschaften herzuleiten. Betrachtet man mehr als zwei wechselwirkende Teilchen, so lassen sich die Gleichungen nicht explizit lösen. In der Physik ist es üblich, durch Näherungsverfahren die Berechnungen zu vereinfachen, um zu einem Ergebnis zu kommen.
Aufgabe der Mathematik kann es sein, zu untersuchen, inwiefern die Näherung mit der wirklichen Lösung übereinstimmt. Wir versuchen stattdessen direkt Informationen über das volle Modell zu gewinnen. Dann muss man sich aber in seiner Fragestellung etwas einschränken; beispielsweise wird es nicht möglich sein, die Dynamik des Systems für jeden Zeitpunkt auszurechnen, aber für große Zeiten könnte das Problem handhabbar werden.
In der Forschung werden die im Studium erlernten Techniken angewendet. Vieles beruht auf der Funktionalanalysis (die Theorie der unendlichdimensionalen Räume) und darauf aufbauend der Spektraltheorie, welche zusammen das mathematische Fundament der Quantenphysik bilden und im 20. Jahrhundert entwickelt wurden. Das ist eine der Stärken der Mathematik: Sie ist so konzipiert, dass man die Errungenschaften der vorherigen Generationen lernen kann, ohne den schweren Weg dorthin noch einmal zu gehen. Mir gefällt der Gedanke, dass mit jeder mathematischen Arbeit das kollektive Wissen anwächst und scheinbar unerreichbare Theoreme nach und nach bewiesen werden können. Wer weiß, vielleicht kann man eines Tages einen bescheidenen Beitrag dazu leisten.
Valentin Kußmaul M.Sc.
Doktorand am Institut für Analysis, Dynamik und Modellierung
Preisträger für herausragenden M.Sc. Abschluss am Fachbereich Mathematik 2023