Wie kamen Sie dazu, Mathematik zu studieren?
Nun, ehrlich gesagt, hatte ich lange Zeit nichts mit Mathematik am Hut, und wenn es nach meinen
Lehrern aus der Schulzeit geht, ist das für die meisten eine furchtbare Entscheidung, die ich nur
bereuen werde – denn sowas hätten sie mir nicht zugetraut. Mit 16 Jahren war ich noch sehr darauf
bedacht, ein professioneller Tennisspieler zu werden, und im Zuge dessen bin ich sogar für eine
Zeit nach Serbien gezogen, mit dem Ziel, genau das zu erreichen. Nach einigen Monaten eines
strikten Lebensstils kam es zu einer Verletzung, bei der ich stürzte und mir mein linkes Handgelenk
brach. Dadurch musste ich nach Deutschland zurückkehren, und damit fing auch das Ende dieses
Wunsches an, denn die Umstände änderten sich in den Monaten, in denen ich nichts tun konnte.
Trainer und Möglichkeiten waren weggezogen, und trotz ein paar Anläufen merkte ich, dass dies nicht
mehr der Weg für mich ist. Da verstand ich: Wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine neue – und
parallel dazu lernte ich einen Mathestudenten in meiner Nachhilfe kennen. Einer seiner ersten Sätze
lautete: „Ich will nicht, dass du heute mitschreibst und Formeln auswendig lernst, sondern höre mir
einfach nur zu.“ Daraufhin spürte ich, welche Freude er an der Mathematik hatte und wie diese
Freude zu mir übersprudelte. Auf einmal ging es nicht mehr ums Auswendiglernen von Formeln, sondern
um logisches Denken und das Herleiten derselben. Es war wie ein Spiel und Rätsel, bei dem es immer
Spaß machte, Neues zu lernen und zu verstehen. Als dann das Abitur kam und damit die Frage, was ich
mit meinem Leben anfangen soll, war klar, dass nun die Mathematik meine offene Tür ist. So
entschied ich mich – mit der Freude, die mir vermittelt wurde –
diesen Weg zu gehen und Mathematik zu studieren.
Worüber forschen Sie in ihrer Promotion?
Mein Hauptschwerpunkt liegt in sogenannten Gauß-Prozessen und ihrer Anwendung in der künstlichen Intelligenz bzw. im maschinellen Lernen. Sie sind eine Art Verallgemeinerung der Gaußschen Glockenkurve, die den meisten bereits aus der Schulzeit bekannt ist. Vor allem geht es darum, wie man sie einsetzen kann, um komplizierte Probleme, die durch partielle Differentialgleichungen beschrieben werden, zu lösen basierend auf gemessenen Daten. Sie sind gerade deshalb so nützlich, weil sie auf umfangreicher mathematischer Theorie beruhen und in der Anwendung sehr gut nachvollziehbar sind. Ein sehr einleuchtendes Anwendungsbeispiel ist die Vorhersage von Geschwindigkeiten und Temperaturen einer Flüssigkeit in einem Kanal, basierend auf einigen Messungen dieser Größen zu verschiedenen Zeitpunkten. Sie machen nun Ihre Promotion.
Was können Sie über diesen Weg durch das Studium sagen? Haben Sie immer noch die gleiche Freude und Motivation wie zu Beginn?
Nun, es wäre gelogen zu sagen, dass sich meine Haltung zur Mathematik und der Forschung über die Jahre nicht geändert hat. Doch das heißt nicht, dass ich keine Freude daran habe. Vielmehr ist aus einer euphorischen Begeisterung eine ruhige Zufriedenheit geworden. Dabei fällt mir mit jedem Tag, der vergeht, immer mehr auf, wie wichtig es ist, sich daran zu erinnern, wofür man das Ganze macht. Eine Lektion, die ich allgemein fürs Leben gelernt habe, ist, dass es wichtig ist, sein Ziel sowie seine anfängliche Motivation und Träume nicht aus den Augen zu verlieren. Denn sonst kann man schnell vom Stress des Studiums oder von Zweifeln an sich selbst überwältigt werden. Weiterhin ist es so wichtig, auch Gemeinschaft und Freundschaften aufzubauen und sich gegenseitig zu ermutigen. Für die Menschen, die ich in all diesen Jahren kennenlernen durfte und die ich nun meine Freunde nennen darf, ist das wahrlich etwas Kostbares.
Wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus? Haben Sie konkrete Gedanken?
Ehrlich gesagt, nein – und ich bin damit zufrieden. Früher habe ich mir viele Sorgen gemacht, was die Zukunft mit sich bringt. Doch in letzter Zeit bin ich zum Frieden und zur Erkenntnis gelangt, dass der Weg wirklich das Ziel ist und ich diesen Weg auch genießen soll. Ich lege viel mehr Wert darauf, auch außerhalb der Universität Momente zu nutzen, wie zum Beispiel meine Liebe fürs Backen oder meinen christlichen Glauben in Form von Gemeindearbeit und Gemeinschaft. So habe ich am 07.02.2025 eine Prüfung abgelegt und bestanden, die mich befähigt, dem Konditoren-Handwerk nachzugehen. Ob ich nun dauerhaft eine Konditorei betreiben werde, doch der Mathematik im akademischen Kontext nachfolgen oder etwas ganz anderes – wie ein Pastor zu werden –, das weiß ich nicht. Jedoch machen gerade all diese Optionen mich mittlerweile neugierig darauf, was die Zukunft bringt, im Gegensatz dazu, dass ich noch vor nicht so langer Zeit Angst vor der Ungewissheit hatte. Die Mathematik hat mir viele schöne Erfahrungen gebracht, und durch sie konnte ich noch mehr wundervolle Menschen kennenlernen. Dafür und für all die Fähigkeiten, die ich durch sie für mein ganzes Leben erlernen durfte, bin ich sehr dankbar. Egal, wohin es mich später hinzieht – das Studium hat eine signifikante Rolle in meiner Entwicklung gespielt, und das würde ich nie bereuen. So möchte ich jeden ermutigen, mit Freude seinen Weg zu gehen und die Erfahrungen auch wirklich zu nutzen.
Aleksandar Arsenijevic M.Sc.
ISA - Institut für Stochastik und Anwendungen