Interview mit Dr. Ercan Sönmez

6. Juni 2023

Porträts am Fachbereich Mathematik der Universität Stuttgart - Dr. Ercan Sönmez

Welche Aufgaben hat ein Vertretungsprofessor?

Im Prinzip übernimmt man die Pflichten (und Rechte) eines regulären Professors in der Lehre, die anliegen, aufgrund einer aktuell unbesetzten Stelle und des dadurch entstehenden Bedarfs. Zudem eignet sich so eine Stelle sehr gut zur Weiterqualifizierung, und um ein wenig Luft zu schnuppern, für den möglichen Arbeitsalltag als Professor. 

Welche Voraussetzungen sollte man dafür erfüllen?

Neben einigen formalen Kriterien, die üblicherweise in Ausschreibungen aufgelistet werden, wie etwa eine besondere Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, nachgewiesendurch eine Promotion und/oder habilitationsäquivalente Leistungen, sollte man insbesondere Erfahrungen in der Durchführung selbständiger Lehre aufweisen, idealerweise belegt durch positive Lehrevaluationen. In der wissenschaftlichen Karriere sollte man nach der Promotion weit genug fortgeschritten sein, was sich auch daran zeigen kann, dass man ein unabhängiges Forschungsprofil ausgebaut hat. Dazu gehören unter Anderem nationale und internationale Forschungskooperationen. 

Welche bisherigen Lehrerfahrungen weisen Sie auf?

Vor meiner jetzigen Stelle habe ich an der Universität hauptsächlich Statistik für Studierende als Nebenfach unterrichtet, neben Bachelor-und Mastervorlesungen für Mathematik-Studierende. Dabei wähle ich typischerweise einen verschiedenen Ansatz für Vorlesungen als Nebenfach und Vorlesungen in Mathematik. Vor allem in der Service-Lehre ist es mir wichtig, unter Anderem hin und wieder von dem ergebnisorientierten Arbeiten im Studium „wegzukommen“ und auf natürlicher Ebene den Studierenden zu vermitteln, was wir machen, warum das vermittelte Wissen von Nutzen sein kann, wo man es gebrauchen kann, die Relevanz des Themengebiets, z.B. durch das Einbauen von (tagesaktuellen) Fallstudien. 

Was ist Ihr Forschungsprofil, und wie würden Sie Ihre Forschung in einfachen Worten zusammenfassen?

Hauptsächlich arbeite ich in zwei modernen Themengebieten der Stochastik, die Theorie der Zufallsgraphen und stochastische Differentialgleichungen. Zufallsgraphen sind stochastische Modelle von Netzwerken aller Art, z.B. soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram etc., oder Virusinfektionsketten. Eine interessante Beobachtung dabei ist das Phänomen der „kleinen Welt“, small-world phenomenon, entspringt einem sozialen Experiment von S. Milgram, was zur Erkenntnis geführt hat, dass zwei beliebige Menschen im Durchschnitt über eine Kette von etwa 6 anderen Menschen miteinander "verbunden" sind, z.B. 6 Bekannte (Freunde) von Bekannten (Freunden), 6 Handschläge, usw. Dies kann erklären, warum z.B. Viren zu einem globalen Problem werden können. Die Theorie der Zufallsgraphen widmet sich größtenteils der Forschung an mathematischen Strukturen zu Modellen. Ich befasse mich u.A. mit der Extremwertanalyse solcher Modelle, d.h. ich interessiere mich für gewisse "extreme" Eigenschaften und dafür, wie solche Eigenschaften verwendet werden können, um die Modelle besser zu verstehen und aus einer anderen Perspektive zu beleuchten. Stochastische Differentialgleichungen hingegen sind Erweiterungen von gewöhnlichen Differentialgleichungen, insbesondere also Gleichungen, die man "lösen" möchte. Dabei gibt es verschiedene Begriffe für Lösungen, welche im Prinzip stochastische Prozesse sind. Die Anwendungsgebiete sind sehr breit, man modelliert damit zahlreiche zeitabhängige Vorgänge. Auch hier widme ich mich der Grundlagenforschung und interessiere mich für Existenz- und Eindeutigkeitsfragen sowie Regularitätseigenschaften von Lösungen zu Gleichungen, wenn die zugrundeliegende stochastische Komponente eine Mischung von zwei Prozessen mit verschiedenen Eigenschaften ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

Dr. Ercan Sönmez
Vertretungsprofessor
Institut für Stochastik und Anwendungen

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