Was ist Ihr akademischer Werdegang?
Mein akademischer Werdegang mag für Deutschland untypisch klingen. Ich habe zunächst Mathematik und Physik an einer "École Préparatoire" in Toulouse (Frankreich) studiert und bin dann in die Nähe von Paris gezogen, um an der Ingenieurschule ENSEA Elektronik und Biotechnologie zu studieren. Parallel dazu machte ich einen Master of Science in Bildverarbeitung an der Universität Cergy-Pontoise (Frankreich). Ich interessierte mich für eine Doktorarbeit in angewandter Mathematik und Bildverarbeitung und lernte auf einer Konferenz Prof. Alfred K. Louis aus Saarbrücken kennen, der sich bereit erklärte, meine Doktorarbeit gemeinsam mit Prof. Mai K. Nguyen aus Cergy-Pontoise zu finanzieren. So begann meine Geschichte mit Deutschland und der akademischen Forschung. Nach meiner Dissertation erhielt ich verschiedene Postdoc-Stellen in Saarbrücken, Metz (Frankreich) und einen Lehrauftrag in Würzburg, bevor ich mich an der Universität Bremen in Mathematik habilitierte. Seit letzten Oktober bin ich nun hier am Fachbereich Mathematik und leite ein Projekt im Rahmen des Exzellenzclusters SimTech.
Um was geht es in Ihrer Forschung?
Ich beschäftige mich hauptsächlich mit der Mathematik bildgebender Verfahren. Hierbei handelt es sich um nicht-invasive Techniken, mit denen ein Medium untersucht werden kann, typischerweise mit Hilfe von elektromagnetischen Wellen, die sich ausbreiten und mit der atomaren Struktur des Objekts interagieren. Das bekannteste und etablierteste Beispiel ist die Computertomographie (CT), die das Gewebe eines Patienten mithilfe der Ausbreitungseigenschaften von Röntgenstrahlen abbildet.
Das Spannende bei der Bildgebung ist, dass sie viele Fachgebiete miteinander verbindet. Die Konstruktion eines mathematischen Modells basiert auf einem tiefen Verständnis der zugrunde liegenden Physik. Bei der Untersuchung des Vorwärtsmodells und insbesondere des damit verbundenen inversen Problems werden viele Ergebnisse der Operatortheorie, der Funktionalanalysis und/oder der partiellen Differentialgleichungen herangezogen. Die Entwicklung geeigneter numerischer Verfahren ist dann erforderlich, um eine stabile und genaue Lösung zu erhalten. Die Rechenkosten können sehr hoch sein, was geeignete Hardware- und Softwarelösungen erfordert. Meine Forschung erstreckt sich daher von der Physik bis zur Informatik mit einem Schwerpunkt auf angewandter Mathematik, insbesondere auf inversen Problemen.
Was ist die Compton-Bildgebung und welche Herausforderungen müssen bewältigt werden?
Die Compton-Bildgebung ist ein vielversprechendes Konzept, das sich das Phänomen der Compton-Streuung sowie die jüngste Entwicklung energieauflösender Szintillationskristalle zunutze macht und zu einem meiner Forschungsschwerpunkte wurde. Der Compton-Effekt ist die wichtigste Wechselwirkung zwischen Röntgen- oder Gammastrahlen und der atomaren Struktur eines Objekts, das von einer radioaktiven/ionisierenden Quelle beleuchtet wird. Von seiner Natur her ist dieses Konzept komplementär zu den üblichen bildgebenden Verfahren wie der Computertomographie. Aus mathematischer Sicht stellt die Compton-Bildgebung einige besondere Herausforderungen dar. So führt etwa die Komplexität der Vorwärtsmodelle zu einem hohen Maß an Modellunsicherheit. Hinzu kommt, je nach Anwendung, das Problem eingeschränkter Daten und die Notwendigkeit, einen Kompromiss zwischen Messdauer und -rauschen zu finden. Letztere Frage ist das Kernstück meines Projekts im Rahmen des Projektnetzwerks 6 im Exzellenzcluster SimTech, in dem wir den Fall sich bewegender Objekte wie Flüssigkeiten in porösen Medien untersuchen.
Was macht für Sie die akademische Forschung aus?
Freiheit, Phantasie, Inspiration. Ein Gespräch bei einer Tasse Kaffee und einer Tafel kann die Grundlage für wichtige theoretische und praktische Ergebnisse bilden.
Vielen Dank für das Interview.
PD Dr. Gaël Rigaud
Fachbereich Mathematik