Was wird am Lehrstuhl Numerische Methoden für Höchstleistungsrechner geforscht?
Das Ziel unserer Arbeitsgruppe besteht darin, skalierbare numerische Methoden und Algorithmen für komplexe Probleme in den Naturwissenschaften zu entwickeln. Viele der Forschungsthemen kommen aus der rechengestützten Chemie und Physik.
Ein Beispiel ist die Berechnung von Zuständen von Vielteilchensystemen in der Quantenmechanik. Diese Probleme sind im Grunde Eigenwertprobleme in einem unendlich-dimensionalen Hilbertraum, sodass eine effiziente Diskretisierung und die Lösung des diskreten Eigenwertproblems erforderlich ist. Zum einen müssen dann die Methoden effizient implementiert werden und zum anderen werden Theorien entwickelt, um den Diskretisierungsfehler zu bemessen. So wie es bei Experimenten üblich ist, sollten auch die Berechnungen eine Art berechenbare Fehlerschranke mit sich bringen, um die Genauigkeit zu zertifizieren. Da effektive Modelle von Vielteilchensystemen oft komplexe nicht-lineare Eigenwertprobleme sind, ist noch viel Arbeit in diese Richtung notwendig.
Ein anderes Beispiel sind sogenannte implizite Lösungsmittelmodelle, welche routinemäßig in der rechengestützten Chemie benutzt werden. Durch eine interdisziplinäre Zusammenarbeit mit Chemikern konnten wir effiziente numerische Methoden entwickeln, welche die Standardmethode um ein Vielfaches beschleunigt haben. In diesem Fall befasst sich die Forschung zum einen mit den theoretischen Eigenschaften dieser Methoden wie zum Beispiel die Skalierbarkeit. Auf der anderen Seite haben wir erst vor kurzem eine modulare Software erstellt, welche diese Methoden einheitlich implementiert hat.
Warum wird Interdisziplinarität am Lehrstuhl groß geschrieben?
Zum einen geht es darum, als angewandte Mathematiker*innen einen Einfluss auf die aktuelle Forschung in der Anwendung zu haben. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass der Wissenstransfer nicht mit dem Publizieren einer Methode in der mathematischen Fachliteratur fertig ist. Es gibt viele wichtige Gründe, an welche man als Mathematiker*in, nicht gerade denkt und nur die enge Zusammenarbeit verhilft, zumindest was mein Forschungsgebiet angeht, zum erfolgreichen Transfer. Was hilft es eine neue Methode zu entwickeln welche niemand benutzt? Das Ziel ist deshalb offen für die Anwendung zu sein und am Lehrstuhl spielen deshalb neben mathematischen auch chemische oder physikalische Betrachtungen eine Rolle.
Meine Erfahrung hat aber auch gezeigt, dass diese Beziehung zwischen Mathematik und der Anwendung nicht nur einseitig ist, sondern es gibt in meiner Forschung mehrere Beispiele wo die Anwendung neue mathematische Probleme generiert und auch deren Lösung hervorgebracht hat. Das heißt, die Anwendung kann auch eine Inspiration für neue mathematische Theorien sein. Die Mathematik spielt da natürlich ihre Stärke der Abstraktion aus, da sie das Problem vom physikalischen Kontext löst.
Die Nähe zum SimTech Exellenzcluster bietet hier in Stuttgart natürlich einen guten Nährboden für interdisziplinäre Aktivitäten, welche ich sehr schätze.
Welche Vorkenntnisse müssen Studierende mitbringen um im Rahmen einer Master- oder Doktorarbeit in Ihr Forschungsgebiet einzusteigen?
Meines Erachtens ist Interesse und Passion das wichtigste, was natürlich nur möglich ist, wenn man eine Affinität zur Numerik hat. Eine Doktor- oder Masterarbeit kann natürlich verschieden gefärbt sein und den Fokus auf die Theorie oder interessante praktische Aspekte richten. Gute Vorkenntnisse in der Numerik sollte man aber auf jeden Fall haben. Es ist oft spannend, beide Seiten zu erleben, d.h. die Theorie zu beherrschen und dann in der (eigenen) Implementierung zu sehen, dass sich die Methode tatsächlich so verhält wie es die Theorie besagt. Oft versteht man aber auch eine Methode erst so richtig, wenn man sie mal implementiert hat.
Was macht Ihnen an Ihrer Arbeit Spaß?
Es macht Freude, sein Hobby jeden Tag ausüben zu dürfen. Klar, es gibt Sachen, die ein bisschen
weniger Spaß machen, aber gemacht werden müssen. Es gibt aber wirklich nur ganz wenige Sachen in
meinem Alltag, welche ich nicht gerne mache. Ein toller Aspekt der Arbeit ist gerade die
Abwechslung. Das Tagesgeschäft ist sehr vielseitig!
Zudem ist das Tätigkeitsfeld ist sehr international. Das ist nun schon mein viertes Land
(neben der Schweiz, den USA und Frankreich), in welchem ich arbeite und in denen ich vielen
interessanten Menschen begegnet bin. Mit zunehmenden Alter empfinde ich es auch als ein
Privileg, mit jungen Menschen, die voller Energie sind, arbeiten zu dürfen.
Prof. Benjamin Stamm
Lehrstuhl Numerische Mathematik für Höchstleistungsrechner
Institut für Angewandte Analysis und Numerische Simulation